Portrait: Buntes Leben im Zirkus

Das nachfolgende Portrait erschien auf glarus24.ch. Weil es uns so gut gefallen hat und die Autorin Madeleine Kuhn-Baer verdankenswerterweise die grünes Licht gab, teilen wir den Text gerne in unsere Blog:

 

Darinka Muggli gefällt die Einfachheit am Leben im Zirkus. Unter der Woche ist sie Zirkustrainerin, am Wochenende Gastgeberin. Sie empfindet es als grosses Privileg, Arbeit und Familie verbinden zu können. 

Ruhig dreht das Karussell im Zirkus Mugg in Betschwanden seine Runden. Und ebenso ruhig erzählt Darinka Muggli aus ihrem Leben, das alles andere als alltäglich ist. Nicht viele leben und arbeiten schliesslich in einem Zirkus. 

In Engi aufgewachsen 

Auf die Welt kam sie 1992 in Zürich. Ihre Mutter war sozusagen «Heimwehglarnerin», weilte sie doch mit ihren Eltern oft im Klöntal. Als Darinka rund drei Monate alt war, kaufte die Familie Rupp das «Wärtligen» in Engi mit viel Umschwung. Dort wuchs sie mit den fünf jüngeren Geschwistern Noreen, Dorian, Dunya, Tamino und Joshua auf. Der jüngste Bruder ist elf Jahre jünger als sie. 

Nach der Sekundarschule absolvierte sie eine Lehre als Zimmerin bei der Stüssi Holzbau AG in Linthal. Durch die Liebe zu Ischa Muggli fand sie den Weg in den Zirkus Mugg, wo sie seit 2012 berufstätig ist. Für die Lehrabschlussarbeit zimmerte sie einen Zirkuswagen, der immer noch im Wohnbereich in Betschwanden steht. Und sie wusste von Anfang an: «Hier ist meine Zukunft.» 

Ischa und sie sind Eltern von drei Kindern. 2014 kam die älteste Tochter Anic zur Welt, 2016 Pablo und 2018 Mona. Alle drei im Zirkuswagen, über Nacht, ohne Hektik und ohne Komplikationen. Mona sogar im aufblasbaren Geburtspool, für den Ischa einen Spezialboden in der Stube zwischen Sofa und Esstisch baute. Und weil das Wasser des Boilers nicht ausreichte, brauchte es einen Schlauch vom Schlafwagen der Kinder. «Alle drei Geburten sind bis heute wunderschöne, unvergessliche Erlebnisse», sagt Darinka. 

Sowohl sie als auch ihr Mann Ischa sind sehr sportlich: «Seit eh und je gehören Berge im Winter wie im Sommer zu meinen Leidenschaften. Ich schöpfe dort immer wieder neue Energie und seelische Erholung.» Weiter engagiert sie sich als Präsidentin des Dorfvereins Betschwanden, der sich für Jung und Alt im Dorf einsetzt. Und wenn «Not am Mann bzw. an der Frau» ist, leitet sie das Geräteturnen in Haslen, wo auch die beiden Töchter turnen. «Dann ist meine wenige Freizeit auch schon bald ausgefüllt.» 

Selten alleine 

Was gefällt ihr am bunten Zirkusleben besonders? Was weniger? «Mir gefällt die Einfachheit, es braucht keinen grossen Luxus, um glücklich zu sein. So lebe ich mit meiner Familie gerade einmal auf 65 Quadratmetern, was definitiv nicht viel ist.» In einer grossen Familie in einem grossen Haus aufgewachsen, sammle sich über all die Jahre so einiges an von sechs Kindern. «Im Zirkuswagen ist wenig Platz, und daher bleibt auch nicht viel übrig für Unnötiges, dafür sind die wenigen Sachen und der wenige Platz sinnvoll und effizient eingesetzt.» Die Kehrseite sei, dass sie immer das Gefühl habe, ständig am Aufräumen zu sein. Aber das bessere sich, je älter die Kinder würden. «Auch habe ich ab und zu mal den Wunsch, etwas liegen zu lassen, sei es bei einer Bastelarbeit oder beim Zusammenlegen der Wäsche. Bevor spätestens die nächste Mahlzeit ansteht, muss alles vom Tisch weggeräumt werden.» 

Was sie schätzt, ist die Wohnlage: «Unseren Garten zwischen den Wagen nutzen wir als Outdoor-Stube und verbringen so bei trockenem Wetter viel Zeit draussen im Freien.» Zudem biete die Wohngemeinschaft im Zirkus mit 14 Bewohnenden immer wieder Platz für Begegnungen: «Man ist selten allein und hat fast immer die Möglichkeit, wenn man möchte, sich in Gemeinschaft zu begeben. Das gefällt mir persönlich an dieser Wohnform sehr, denn ich selbst bin ein gesellschaftsliebender Mensch.» 

Viel Applaus und Wertschätzung 

Als Verantwortliche für den Bereich Gastronomie steht sie weniger im Rampenlicht als zum Beispiel Ischa und Milu. Macht ihr das nichts aus? «Ich leite mit grosser Leidenschaft unsere Zirkusgastronomie, und auch ich habe meine kleine Bühne. Wenn ich am Tisch bei den Gästen den nächsten Gang vorstelle oder im Erlebnisservice aktiv werde, wo bei uns Essen und Show verschmelzen, dann lebe ich mich aus.» Sie nutze ihr artistisches Zirkus-Knowhow «viel lieber für Kinder und Erwachsene, die selbst Zirkus ausprobieren wollen. Auch das ist eine kleine Bühne, denn dabei zeige und erkläre ich jedes Mal die neuen Tricks. Wenn ich dann leuchtende Kinderaugen sehe, die in der Manege stolz ihr Erlerntes präsentieren und ich sie dabei unterstützen konnte, ist das für mich selbst die viel grössere Erfüllung als Applaus für ein Kunststück, welches ich selbst vollbracht habe.» 

Neben ihren Aufgaben in der Zirkusgastronomie und Zirkuspädagogik unterstützt sie Ischa beim Kreieren von neuen Nummern. Seit Beginn sind die beiden ein eingespieltes Team. Darinka als «Auge von aussen», Ischa als Akteur auf der Bühne. «Während er seine Requisiten in der Werkstatt baut, suche ich die Musik, und gemeinsam entwickeln wir dann die Nummern. Lob und Anerkennung gibt er mir weiter, und das tut gut.» 

Und das Schöne an ihrem Job sei, «dass auch ich Applaus und viel Wertschätzung unserer Gäste fürs Essen und den Service kriege, welches ich gerne mit unserem genialen Küchenteam teile.» 

Drei prägende Erlebnisse 

Vor allem drei Erlebnisse hätten ihr bisheriges Leben geprägt, erzählt Darinka weiter. «Ischa und ich haben uns bereits sehr früh entschieden, Eltern zu werden. Ich war 22 Jahre alt. Dass das Muttersein mein Leben ändern würde, war mir bewusst, und doch kann man sich nicht vorstellen, was es bedeutet. Als Anic, unsere älteste Tochter, auf der Welt war, wurde mir dies erst so richtig bewusst: Das kleine, hilflose Wesen braucht mich, um gross zu werden, und ich liebe es so, wie es ist, mit allen Ecken und Kanten. Als Älteste von sechs Kinder war mir Verantwortung übernehmen sozusagen in die Wiege gelegt, und ich wuchs sehr schnell in die Rolle als Mutter hinein.» 

Zweitens begleitet sie bis heute ein Erlebnis aus ihrer Kindheit: «Zu meinem zehnten Geburtstag lud ich Freunde zu mir nach Hause ein. Stolz präsentierte ich ihnen unsere neue Baumhütte, die wir zusammen mit Papa gebaut hatten. Nebenbei wollte ich ihnen meine Kletterkünste zeigen und kletterte weiter am Baum hoch. Trotz eines mulmigen Gefühls trieb mich der Ehrgeiz weiter, und die Vernunft blieb zurück. Plötzlich rutschte ich und hing mit beiden Händen an einem Ast auf rund sechs Metern Höhe. Ich schrie aus Leibeskräften um Hilfe und nach meinem Papa, und natürlich schauten alle Freunde zu, wie ich da hing. Mein Vater kam hergesprungen, kletterte hoch und rettete mich.» Noch nie hätte sie eine solche Angst gehabt, sagt sie. «Dieses prägende Erlebnis lehrt mich bis heute, die Vernunft bzw. den Verstand nie ganz auszuschalten und immer zu überlegen: Kann ich das wirklich alleine und bin ich dieser Aufgabe wirklich gewachsen?» 

Das dritte prägende Erlebnis sei der unerwartete Tod ihres Schwiegervaters Urs Muggli/Mugg im Jahr 2019 gewesen, als Stephan, Milu, Ischa und sie mit dem Schicksalsschlag umgehen und als zweite Generation plötzlich die alleinige Verantwortung für den Zirkus übernehmen mussten. 

Erholung in der Familie 

Für die Antwort auf die Frage, wo sie sich von ihrer Arbeit erhole, muss sie dann nicht lange überlegen: «Zu Hause bei meiner Familie, das gibt mir viel, vor allem Zusammenhalt, Liebe und Freude.» Die Lieblingsbeschäftigungen seien sehr vielfältig: «Von gemeinsamem Sport über Gesellschaftsspiele bis hin zum gemeinsamen Kochen und Backen.» 

Ab und zu brauche sie auch einen Moment für sich alleine. Dann gehe sie meist an einen ruhigeren Ort. «Frische Luft und Bewegung tun mir gut. Wenn ich körperlich erschöpft bin, lese ich gerne Romane. Und einmal wöchentlich gönne ich mir eine Stunde Pilates, was mir für Körper und Geist extrem guttut.» 

Die Berge hingegen kämen aktuell viel zu kurz – im Winter mit Skitouren wie im Sommer beim Wandern oder Biken. «Wenn ich auf dem Gipfel bin, die Weitsicht geniesse, dann bin ich einfach zufrieden. Immer mehr kann ich nun auch diese Leidenschaft zusammen mit der Familie ausleben», so unsere Gesprächspartnerin. 

Privileg, Arbeit und Familie zu vereinen 

Was wünscht sie sich persönlich für die Zukunft? «Eine Balance zwischen Arbeit und Freizeit zu finden, ist eine tägliche Herausforderung. Es gibt Zeiten, da gelingt es mir besser, in anderen Zeiten schlechter. Wer selbstständig ist und einen Betrieb führt, ist oft damit konfrontiert. Ich hoffe, dass ich da weiter einen guten Weg finden und immer wieder mal einen Moment für mich rausnehmen kann.» 

Der Zirkus habe für sie einen grossen Stellenwert im Leben, ebenso ihr Mann und ihre Kinder. «Ich wünsche mir, dies weiterhin verbinden zu können. Ich sehe es als ein riesiges Privileg, beides am gleichen Ort zu haben und vereinen zu können.» Sie freue sich, den Betrieb aktiv weiterzuentwickeln und ihre Ideen umzusetzen. «Auch wünsche ich mir, dass meine Arbeit weiterhin so vielfältig und bunt bleibt wie der Zirkus. Das gibt mir täglich neue Motivation.» 


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